VERSUCH EINER ANNÄHERUNG

MARCO SZEDENIK

VERSUCH EINER ANNÄHERUNG

Magdalena Hörmann

 

Mit seinen Arbeiten ist der an der Wiener Akademie bei Gironcoli ausgebildete Innsbrucker Künstler Marco Szedenik nicht eigentlich bildhauerisch unterwegs oder zumindest nicht im klassischen Sinn als Bildner  von Figuren und Objekten um einer eigenen und neuen Form willen. Es ist zuviel an Denkarbeit bei ihm da, um sich bloßen Überlegungen des Formalen oder gar Expressiven in der skulpturalen Dimension hingeben zu können. Wahrnehmungsprobleme im Sinn der Grundfrage, was bleibt von Welt und Wirklichkeit  in der geringen Aufnahmezeit, die uns dafür zur Verfügung steht, bilden eine Grundthematik, der sich Szedenik in seinem komplexen, verschlüsselten, jedoch in sich sehr konsequent aufgebauten Werk widmet. Das „Dazwischen der Jetzte“ war zuletzt der Versuch, nicht zuletzt auch terminologisch das ganze Große, das globale Kunstgebäude in Griff zu bekommen. Da der bildende Künstler ohne gestalterisches Tun nun einmal nicht auskommt,  sind es in diesem (grossen) Werkabschnitt, die so benannten „Weltabformungen“, die Szedenik sich in einer fiktiven Welt- und Kulturen- Umfassung zusammengestellt und nun tatsächlich oder zumindest symbolisch  bildhauerisch umgesetzt hat: Ergebnisse sind Kleinobjekte, die aus Abgüssen aus Silikonkautschuk bestehen. Mit ihren Positiven in Alabastergips (manchmal vergoldete Bronzegüsse)  scheinen sie  im reliquienhaften Nebeneinander, das durch  sorgfältig gebaute Schaukästen verstärkt wird, zunächst einen bizarren ironischen Souvenirkult zu repräsentieren. Das Erinnern ist aber natürlich sehr intellektuell gespeist: ein ganzheitliches Speichern von Erlebnissen wird in diesen Puzzle-teilen als nicht durchführbar thematisiert, daher bleiben Reste, Stückwerke. Das Erinnern als solches ist ein fragwürdiger Prozess, in dem wir schicksalhaft eingebunden sind. Die Welt ist bleibend nicht zu fassen, auch wenn wir an noch so vielen Orten sind, noch so viele kulturelle Zugänge haben, (Mauerstück der Engelsburg in Rom, Spolie vom Parthenon,  Mauerstein vom Hölderlin-Turm in Tübingen), noch so persönlich uns an Erlebtes klammern (Stein in einem Hain in Südkorea), noch so länderüberschreitend rund um den Erdball unterwegs sind. Die Abgüsse bringen uns zwar ein Stück zurück, aber das Dazwischen hat uns längst eingeholt und im Jetzt ist alles nur noch mehr Abguß und  Mini-Relikt. 

In einer früheren Phase hat Szedenik seine Abformungsrituale an Körperteilen durchgeführt, Silikonabgüsse von Ohren, Händen, Nasen bevölkerten die Kästen , wurden  belichtet, hatten die Anmutung eines merkwürdigen Raritätenkabinetts für den Biologieunterricht.

Wie zum Nachweis dass ihm das künstlerische Handwerk, die Zeichnung vor allem und das „normale“ Farbmalen durchaus präsent sind, gibt es bei  Szedenik eine Art Kontrastprogramm, das er in sein eigentliches Arbeitsprogramm eingebaut hat und das Ausstellungen und Veröffentlichungen immer begleitet: Dabei geht es einerseits um sorgfältige graphische Blätter von Landschaftsmotiven, die  tagebuchartig  konkrete Orte des Erinnerns – z.B. die Gegend von Plüschow in Mecklenburg, wo Szedenik einen Atelieraufenthalt verbracht hat - in ihren klaren Erscheinungsformen elegant und sicher im Detail in Kohlestrich festhalten  oder es werden in einer quasi freundlichen Manier Orte der Memorialkultur, wenn man das so sagen kann, malend topographisch und fast verspielt auf Leinwänden plaziert, so dass ein Postkartenblick suggeriert ist und die von ihm bevorzugte Vogelperspektive sich einige Male des Fotorealismus bedient. Szedenik kann malen, das sieht man auf den ersten Blick, wenn auch die Intellektualiät oder wie immer man das nennen soll,  ihm wieder dazwischen kommt, wenn er den Finger auf die Wunde einer nicht wirklichen Wirklichkeit legt, in der wir uns bewegen und der wir auch bei gegenständlichstem Abmalen nicht entkommen können. Sofern die Abformungen dann dazu postiert sind ( siehe das Panoramabild der Gegend  von Canossa), wo die zugehörige  „Weltabformung“ aus einem Abguss  einer Kerbe auf einer Marmorsäule  in der Burgruine besteht, entstehen diese Erinnerungsketten der besonderen Art, die sich um Erlebnisse flechten können..  Zeichenkünstlerisches wird dann vor allem in den sogenannten Objektzeichnungen vorgeführt, die „ auch Konzeptzeichnungen sind“ (Szedenik). Messerscharf ist hier die Feder geführt und umkreist suggestiv das was Gedankenübersetzungen in das Medium der Zeichnung bedeuten können, auch Schriftnotate spielen eine Rolle, zeichnend und schreibend beobachtet der Künstler seine Überlegungen zu den kommenden Projekten und man sieht ihm fasziniert bei dieser konzeptuellen und sehr fern vom Computer vollbrachten Arbeit  zu. Er liebe die Arbeit mit der Feder, sie verbinde die Orte der Welt, hat Paul Klee einmal geschrieben, und auch Szedeniks merkwürdige Planzeichnungen von imaginären Raum- und Zeiteroberungsprojekten mit ihren konkreten Anweisungen gehören in ein solches Netz von Weltaneignungsversuchen. Man kann Klees allgemeine Definition von Zeichenkunst hier durchaus mit hineinnehmen.

Wer bei diesen Zeichnungspaketen und den Weltabformungskästchen den Eindruck der Kleinteiligkeit hat wird bei genauerem Werk - Hinsehen erkennen: Szedenik ist der grossen Dimension durchaus zugetan und verwirklicht sie in großformatigen Weltabformungen, wenn etwa großflächige Bodenplatten zur Markierung des Memorialgedankens herangezogen werden (Pflaster in Waiblingen) oder in dem Organo-Sensorium genannten Objekt, einer Art fahrbaren Eisentribüne, auf der Polyesternachbildungen von Organen montiert und biologische Systeme anzitiert werden, wie überhaupt zu einem früheren Werkabschnitt Szedeniks eine grosse Zahl großformiger, raumgreifender Installationen  gehören. Es ist also durchaus ein grosser Bogen, der sich um die intensive Gedanken - und Gestaltenwelt eines suchenden, drängenden, rätselnden Künstlers der Gegenwart spannt.  

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